Krankmacher gesättigte Fettsäuren?

Ist der schlechte Ruf von gesättigten Fettsäuren wirklich gerechtfertigt?

Bereits seit Jahren ist bekannt, dass gesättigte Fettsäuren der Gesundheit schaden, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen und sich negativ auf das den Cholesterin-piegel auswirken.
Ein Blick auf aktuelle Studien wirft jetzt jedoch Zweifel auf - denn ob gesättigte Fettsäuren tatsächlich so schädlich sind, wie bisher gedacht, konnte nicht zweifelsfrei bewiesen werden.

Vereinfacht gesprochen, gibt es Fettsäuren in gesättigter sowie in einfach und mehrfach ungesättigter Form. Während ungesättigte Fettsäuren bislang als besonders gesund gelten, eilt gesättigten Fettsäuren ein schlechter Ruf voraus: Sie sollen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen und sich negativ auf den Cholesterinspiegel auswirken und damit weitere Folgeerkrankungen begünstigen. Der Verzehr von Lebensmitteln mit einem hohen Anteil gesättigter Fettsäuren wird aus diesem Grund nur in Maßen empfohlen.

Laut aktuellen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte der Anteil der gesättigten Fettsäuren nicht mehr als 10% der täglichen Kalorienmenge ausmachen.
In Deutschland lebende Personen nehmen mit circa 15% deutlich mehr gesättigte Fettsäuren auf. Aber ist das tatsächlich gesundheitsschädlich?

Ein neuer Review des Teams um Prof. Dr. med. Arne Astrup, dem Direktor des Instituts für Sport und Ernährung der Universität Kopenhagen, fordert nun Lockerungen der strengen Richtlinien für gesättigte Fettsäuren.
Astrup und seine Kollegen sind jedoch nicht die einzigen Ernährungswissenschaftler, die an dem schlechten Ruf der gesättigten Fettsäuren zweifeln: Ein Blick auf die aktuelle Datenlage zeigt, dass es keine eindeutigen Beweise für die gesundheitsschädliche Wirkung gesättigter Fettsäuren gibt. So konnten in den zumeist älteren Studien keine entsprechenden Belege auf einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr gesättigter Fettsäuren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gezeigt werden. Auch in neueren Studien wurde die schädigende Wirkungs nicht zweifelsfrei nachgewiesen.

Die neueste Untersuchung, veröffentlicht von der renommierten Cochrane Collaboration, einem unabhängigen Netzwerk aus Ärzten und Wissenschaftlern, kommt zu ähnlichen Ergebnissen:
In fast allen Analysen der Studie konnten keine Auswirkungen von gesättigten Fettsäuren auf das kardiovaskuläre Risiko nachgewiesen werden. Lediglich eine Untersuchung zeigte hierbei eine schwache Assoziation. Warum sich die Cochrane Collaboration trotz dieser Ergebnisse weiterhin für eine Reduktion gesättigter Fettsäuren ausspricht, wirft jedoch Fragen auf. Dr. med. Stefan Kabisch, Ernährungsmediziner der DGE führt das auf die mangelhafte Aussagekraft der zugrundeliegenden Analysen zurück.

Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Designschwächen der Ernährungsstudien, die sich bislang jedoch nicht vermeiden ließen: Zum einen können Ernährungsstudien nicht verblindet durchgeführt werden, schließlich sehen die Probanden welche Lebensmittel sie zu sich nehmen. Und zweitens: Eine Ernährungsstudie beschränkt sich in den meisten Fällen nicht auf einen einzelnen Inhaltsstoff - häufig werden mehrere Nahrungsbestandteile gleichzeitig verändert. Letztendlich lässt sich also nur sehr schwer feststellen, welche Faktoren letztendlich für eine Veränderung verantwortlich sind. Solange diese Designschwächen nicht durch prospektive Studien ersetzt werden, bleibt die Interpretation der Studien weiterhin problematisch.

Das Team von Prof. Dr.med. Astrup kritisiert vor allem, dass die aktuellen Ernährungsempfehlungen gesättigte Fettsäuren ganz allgemein negativ bewerten. Dabei gibt es nicht “die” gesättigte Fettsäure, sondern über 20 verschiedene Varianten, die sich sowohl in ihrer Länge als auch Funktion unterscheiden und sich damit auch unterschiedlich auf die Gesundheit auswirken. Das bestätigen auch Laborstudien: Mittelkettige Fettsäuren verhalten sich anders als langkettige Fettsäuren. Inzwischen wird vermutet, dass mittelkettige Fettsäuren vom Stoffwechsel besser verarbeitet werden können als langkettige.  

In der Praxis ist das allerdings nicht so einfach umzusetzen, denn mit unserer Nahrung nehmen wir nicht einzelne Fettsäuren auf sondern stets eine komplexe Mischung aus gesättigten Fettsäuren zu uns. Nur der ganzheitliche Effekt aller Bestandteile lässt sich dann in Form von positiven oder aber auch negativen Auswirkungen messen.
Astrup fordert aus diesem Grund eine Differenzierung der verschiedenen Fettsäuren bzw. der zugehörigen Lebensmittel. So sollten Lebensmittel, die zwar reich an gesättigten Fettsäuren, aber dennoch positive Effekte auf die Gesundheit versprechen, von den strengen Reglementierungen ausgeschlossen werden. Darunter fällt seiner Ansicht nach Vollmilch, Käse, dunkle Schokolade sowie unverarbeitetes rotes Fleisch.

Inzwischen hat die DGE die Empfehlungen angepasst und rät nicht mehr grundsätzlich zu fettarmen Milchprodukten. Von dem übermäßigen Verzehr von rotem Fleisch wird dennoch, auch aufgrund anderer möglicherweise schädigender Bestandteile, abgeraten.

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass gesättigte Fettsäuren deutlich komplexer sind, als bislang angenommen und nicht per se krank machen. Ob und wie viele gesättigte Fettsäuren sich positiv oder negativ auf die Gesundheit auswirken, ist bislang nicht bekannt. Um das herauszufinden, benötigt es in Zukunft qualitativ hochwertige und größere Studien.

Im Gegensatz zur strikten Vermeidung gesättigter Fettsäuren ist eine genauere Auseinandersetzung mit einzelnen Lebensmitteln sowie das Abwägen von gesundheitlichen Vorteilen in Relation zu potentiell negativen Konsequenzen empfehlenswert.

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